Wenn die Seele den Rücken quält
Gibt es keine organische Ursache für Rückenschmerzen, hat vielleicht die Psyche schuld. Denn seelische Probleme suchen sich häufig ein körperliches Ventil.

Körper und Seele sind untrennbar miteinander verbunden. Wenn die Psyche leidet, äußert sich das in körperlichen Beschwerden: Probleme, Stress, Enttäuschungen manifestieren sich bei vielen Menschen als Schmerzen in Kopf, Bauch oder Rücken.

Oft leiden Patienten über Jahre hinweg an Schmerzen entlang der Wirbelsäule. Auf der Suche nach Hilfe gehen sie vom Hausarzt zum Orthopäden, vom Homöopathen zum Radiologen. Doch wenn der Körper organisch rundum gesund erscheint, fällt die Diagnose schwer. In diesem Fall sollten Mediziner wie Patienten die Möglichkeit in Erwägung ziehen, dass vielleicht die Psyche der wahre Urheber des Leidens ist.

In der Tat lässt sich für etwa 85 Prozent aller Rückenleiden keine spezifische Ursache finden. Während Ärzte einen Bandscheibenvorfall, eine Entzündung oder eine Fehlstellung des Bewegungsapparates leicht erkennen können, zeigen sich psychische Gründe auf keinem Röntgenbild.

Ursache 1: Verhalten und Veranlagung

Nur in etwa 15 Prozent der Fälle können Ärzte eine eindeutige körperliche Ursache feststellen. Zwar sind deshalb alle anderen Rückenleiden nicht rein psychisch bedingt, doch im Entstehungsprozess des Rückenschmerzes mischt die Seele kräftig mit. Psyche oder soziales Umfeld spielen ebenso eine Rolle wie die körperliche Verfassung. In vielen Fällen sind sie sogar entscheidender als die rein mechanische Komponente.

Sensible Menschen fühlen mehr Schmerz


Veranlagung, Verhalten und die Vorgeschichte des Patienten haben großen Einfluss, ob und wie stark der Patient Schmerz fühlt. Patienten, die sich grundsätzlich viele Sorgen machen, erleben Schmerzen intensiver als sorglose Menschen. Und wer sich zurückzieht und nur an die Pein im Rücken denkt, spürt größere Schmerzen als derjenige, der die Ablenkung sucht.

Auch hat sich gezeigt, dass Menschen, die in ihrem Leben bereits eine traumatische Erfahrung gemacht haben, schmerzanfälliger sind als solche, die nicht vorbelastet sind. Denn psychische Schäden wirken verstärkt auf das Schmerzempfinden ein. Michael Pfingsten von der Schmerz-Tagesklinik und -Ambulanz des Universitätsklinikums Göttingen betont, dass Rückenschmerzen sehr individuell sind. Da jeder Mensch anders sei, variiere der Schmerz auch je nach Patient. Dass Frauen generell häufiger an Rückenschmerzen leiden als Männer, liegt mitunter daran, dass Frauen aufmerksamer gegenüber den Symptomen sind, also feinfühliger auf erste Anzeichen reagieren und daher eher zum Arzt gehen.


Ursache 2: Wenn der Alltag krank macht

Stress ist unser ständiger Begleiter. In der Arbeit, auf der Straße, zu Hause. Hat der Organismus Gelegenheit, die innere Anspannung abzubauen und sich zu entspannen, wird er gut damit fertig. Lässt sich Stress aber als Dauergast in unserem Leben nieder, belastet er Körper und Seele. Zum einen sorgt Stress dafür, dass sich die Muskeln anspannen. Ein Relikt aus grauer Vorzeit, wie Michael Pfingsten erklärt: „Früher brauchte der Mensch muskuläre Schutzmechanismen für den Fall, einem Säbelzahntiger entfliehen zu müssen. Deshalb spannen sich die Muskeln unter Stress an, vor allem in der Rückenmuskulatur.“ Heutzutage unter den veränderten Stressbedingungen ist diese Funktion weitgehend sinnlos geworden. Der Konfrontation mit dem Chef oder dem Ehekrach zu Hause kann man nicht so einfach davonlaufen. Doch die körperliche Reaktion ist geblieben. Baut der Mensch diese Anspannung beispielsweise durch Sport nicht ab, verspannt sich die Muskulatur dauerhaft – und schmerzt.

Zum anderen macht Stress unzufrieden. Unzufriedenheit senkt die Schwelle für die Wahrnehmung von Beschwerden. Unglückliche Menschen spüren demnach mehr Schmerzen als Glückliche. Auch wer ständig überlastet oder überfordert ist, spürt Schmerzen intensiver als ein ausgeglichener Typ. Denn Überlastung und Überforderung aktivieren schmerzverarbeitende Zentren im Körper.

Psychosoziale Faktoren haben großen Einfluss


Ähnliches gilt für soziale Zurückweisung und Ausgrenzung. Wie eine Studie der Universität von Kalifornien ergab, steuert das sogenannte OPRM 1-Gen sowohl das physische Schmerzempfinden als auch die empfindlichen Reaktionen auf soziale Ausgrenzung. Eine bestimmte Variante dieses Gens bestimmt, wie stark wir seelisches Leid auch als körperlichen Schmerz spüren.

Psychosomatische Rückenschmerzen machen selbst vor Kindern nicht halt. Das hat eine Studie der Universität von Manchester gezeigt. Wissenschaftler haben 1446 Schulkinder im Alter von 11 bis 14 Jahren untersucht und festgestellt, dass kontaktscheue, verhaltensauffällige und emotional gestörte Kinder häufiger an Schmerzen im Rücken leiden als normale Kinder. Psychologe Michael Pfingsten erkennt noch einen anderen Faktor: „Schulkinder sind einem enormen Leistungsdruck ausgesetzt. Dieser Druck nimmt über den psychosomatischen Weg Einfluss auf jede Krankheit.“

Psychosoziale Faktoren haben großen Einfluss


Ähnliches gilt für soziale Zurückweisung und Ausgrenzung. Wie eine Studie der Universität von Kalifornien ergab, steuert das sogenannte OPRM 1-Gen sowohl das physische Schmerzempfinden als auch die empfindlichen Reaktionen auf soziale Ausgrenzung. Eine bestimmte Variante dieses Gens bestimmt, wie stark wir seelisches Leid auch als körperlichen Schmerz spüren.

Psychosomatische Rückenschmerzen machen selbst vor Kindern nicht halt. Das hat eine Studie der Universität von Manchester gezeigt. Wissenschaftler haben 1446 Schulkinder im Alter von 11 bis 14 Jahren untersucht und festgestellt, dass kontaktscheue, verhaltensauffällige und emotional gestörte Kinder häufiger an Schmerzen im Rücken leiden als normale Kinder. Psychologe Michael Pfingsten erkennt noch einen anderen Faktor: „Schulkinder sind einem enormen Leistungsdruck ausgesetzt. Dieser Druck nimmt über den psychosomatischen Weg Einfluss auf jede Krankheit.“

Chronifizierung: Teufelskreis aus Angst und Depression

Die Psyche spielt nicht nur eine Rolle, wenn Rückenschmerzen entstehen, sie ist auch der Hauptgrund dafür, ob ein Rückenleiden chronisch wird oder nicht. Ein entscheidender Faktor ist dabei Angst. Meist ist die erste Reaktion auf Rückenschmerzen: Bloß nicht bewegen! Da Schmerz und Bewegung anfangs oft zusammen auftreten, hat sich im Gehirn eine Verknüpfung gebildet: Bewegung ist gleich Schmerz. Aus Angst vor weiteren Schmerzen vermeiden Rückenpatienten jede aktive Bewegung und schonen sich. Das ist aber genau die falsche Reaktion. „Der Körper braucht Belastung, um richtig zu funktionieren“, erklärt Michael Pfingsten. „Vermeidet der Patient über Monate oder Jahre hinweg jegliche Art von Belastung, macht er sich damit nur noch kränker.“ Mangelnde Bewegung und eine unnatürliche Schonhaltung führen zu neuen Verspannungen und damit zu neuen Schmerzen. Experten sprechen vom Angst-Vermeidungsverhalten, das maßgeblich dafür ist, ob ein anfänglich banaler Rückenschmerz chronisch wird.

Patienten laufen Gefahr, depressiv zu werden


Auch Menschen, die depressive Symptome zeigen, sind gefährdet, chronische Rückenschmerzen zu entwickeln. Wer sich traurig und niedergeschlagen fühlt, ist empfänglicher für Schmerzen. Allein der Gedanke an den Schmerz intensiviert ihn. Das wiederum macht die Patienten unzufrieden, traurig und niedergeschlagen. Kurz: Rückenschmerz fördert wiederum Depression. Etwa 80 Prozent aller chronischen Rückenschmerzpatienten leiden zusätzlich an depressiven Symptomen, circa 20 Prozent sind tatsächlich depressiv. „Rückenschmerz und Depression bedingen sich gegenseitig“, erklärt Michael Pfingsten. „Ob Rückenschmerz eine körperliche Manifestation der Depression ist oder ob sich aus chronischen Schmerzen eine Depression entwickelt, ist in der Wissenschaft jedoch umstritten. Beides ist aber möglich.“

Diagnose: Körper und Geist im Krankheits-Check

Da sich in vielen Fällen von Rückenschmerzen eine rein körperliche Ursache nicht feststellen lässt, sollte der Arzt bei seiner Diagnose auch immer an die psychischen Faktoren denken. Neben dem körperlichen Check geben Gespräche Aufschluss über Vorerkrankungen, eventuelle Traumata, die aktuellen Lebensbedingungen, sportliches Verhalten und die subjektive Vorstellung von Schmerz. Sodann muss der Arzt die verschiedenen Faktoren gewichten, denn eine klare Trennung von körperlich und psychisch bedingten Schmerzen ist nur selten möglich.

Röntgen gibt oft falsche Aufschlüsse


Viele Patienten und Ärzte sind allerdings erst zufrieden, wenn sie die Ursache für den Schmerz tatsächlich sehen können. Deshalb stehen Röntgen oder eine Computertomographie bei der Untersuchung hoch im Kurs. Das Problem dabei: Ab einem bestimmten Alter zeigt so gut wie jeder Körper Abnutzungserscheinungen. Ein gesunder 30-Jähriger hat beispielsweise mit einer Wahrscheinlichkeit von 75 Prozent Einrisse in der Bandscheibe. Auch wenn diese nicht der wahre Grund für die Schmerzen sind, machen Mediziner und Patienten sie häufig dafür verantwortlich.

Hinzu kommt, dass ein Patient, der die vermeintliche Ursache bildlich vor sich sieht, stärker und länger leidet. Dadurch bestätigt sich der Schmerz und verfestigt sich im Gehirn. Der akute Schmerz, der häufig nach ein paar Tagen von alleine wieder verschwinden würde, bleibt und läuft Gefahr, chronisch zu werden.

Therapie: Motivation zur Bewegung


Psychosomatische Rückenschmerzen lassen sich nicht mit einer Operation oder mit Medikamenten bekämpfen – zumindest nicht auf Dauer. Will der Patient langfristig schmerzfrei bleiben, muss er das psychische Problem erkennen und lösen. Das gelingt mit einer gezielten Therapie. „Spezialisierte Schmerzkliniken bieten inzwischen eine sogenannte multimodale Schmerztherapie an, bei der Ärzte, Physiotherapeuten und Psychologen fächerübergreifend eng zusammenarbeiten“, sagt Michael Pfingsten. Dabei stehen Krankengymnastik und Sport ebenso auf dem Programm wie Gruppenpsychotherapie und psychologische Einzelgespräche. „Das Ziel ist es, das Angst-Vermeidungsverhalten der Patienten auszuschalten und die Beweglichkeit wieder herzustellen“, erklärt der Rückenexperte. „Denn Sport oder ausreichende körperliche Aktivität ist die beste Therapie gegen chronische Rückenschmerzen.“ Diese fächerübergreifende Behandlung hat sehr gute Erfolge gezeigt und wird inzwischen auch in einigen Bundesländern von den Krankenkassen bezahlt.

Sport hat noch einen weiteren Vorteil: Bewegung hilft gegen Depressionen, die im engen Zusammenhang mit Rückenschmerzen stehen. US-Forscher konnten nachweisen, dass das Gehirn bei körperlicher Bewegung ein natürliches Antidepressivum namens VGF produziert. Sport macht also nicht nur fit, sondern auch glücklich.

Genuss besiegt Schmerzen


Schmerzforscherin Herta Flor von der Universität Heidelberg hat zudem ein Konzept entwickelt, das die Verknüpfung von Bewegung und Schmerz im Hirn der Schmerzpatienten gezielt ausschalten soll. Denn wenn das Gehirn lernen kann, dass Bewegung Schmerzen auslöst, kann es umgekehrt auch lernen, dass Bewegung dem Körper gut tut. Dies erfolgt durch Gegenstimulation. Die Idee ihres Genusstrainings ist es, jede Bewegung mit etwas Positivem zu verknüpfen. Der Patient belohnt sich und motiviert sich selbst, aktiv zu werden und zu bleiben.

Die Idee, die hinter den aktiven Therapieprogrammen steckt, ist, das Verhalten des Patienten von Grund auf zu ändern – nicht nur physisch, sondern auch psychisch. Denn im Prinzip kann der Patient die Intensität der Schmerzen selbst beeinflussen. Auch Mitmenschen können einiges tun. Statt Rückenschmerzpatienten zu bemitleiden, ist es besser, für Ablenkung zu sorgen. Wer abgelenkt ist, kann sich nicht auf die Schmerzen fokussieren und ihnen so Macht über Körper und Psyche geben.

Vorbeugung: Das Leben unter die Lupe nehmen

Damit es gar nicht erst zu psychosomatischen Rückenschmerzen kommt, sind zwei Faktoren besonders wichtig. Zum einen braucht der Körper viel Bewegung, um Anspannungen abzubauen und fit und stark zu bleiben. „Sport oder körperliche Aktivität ist die beste Art der Vorbeugung“, bestätigt Michael Pfingsten. Denn chronische Rückenschmerzen entstehen meist durch mangelnde Bewegung. Zum anderen sollte man seine Lebensgewohnheiten genauer betrachten. Beruflicher Stress, Konflikte in der Partnerschaft, Unzufriedenheit mit dem Job und dem Leben sind potenzielle Auslöser für psychosomatischen Rückenschmerz. Jeder kann sich selbst fragen: Tue ich genug für meinen Körper? Fühle ich mich überlastet? Bin ich zufrieden und ausgeglichen?

Strategien zur Stressbewältigung lassen sich einfach und schnell in den Alltag integrieren: Ob Yoga oder ein Spaziergang in der Natur, ein Bier mit Freunden oder einfach mal Zeit für sich – wichtig ist, dem Stress rechtzeitig die Stirn zu bieten. Denn wer die Balance zwischen Anspannung und Entspannung, zwischen Belastung und Ruhe findet, ist auch weniger anfällig für psychosomatischen Rückenschmerz.

Fachliche Beratung: Prof. Dr. med. Michael Pfingsten, leitender Psychologe und kommissarischer Leiter der Schmerz-Tagesklinik und -Ambulanz, Zentrum Anästhesiologie, Rettungs- und Intensivmedizin des Universitätsklinikums Göttingen


 



 
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